Das Problem mit dem Sich-Entscheiden
Ich schwimme im Meer der tausend Möglichkeiten, in dem ich einige Zeit entspannt vor mich hin treibe, bevor mich dann wieder eine ansteigende Panik überkommt angesichts der Frage, welches Ufer ich nur ansteuern soll. Die Frage nach dem wohin hängt dann wie ein Damokles-Schwert über mir, lässt mich nicht los und will beantwortet werden, am besten jetzt und sofort. Wohin will ich mit meinem Leben? Was will ich erreichen, was bewirken? Auf welches Leben soll, und dabei drehe ich die Zeit um einige Jahrzehnte voraus, mein 82-jähriges Ich einmal zurückblicken? Kinder ja, lieber heute als morgen – denn ich bewundere junge Mütter – aber nicht, bevor ich noch mindestens 5 Länder ausgiebig bereist habe und mich „ausgelebt“ habe. Ich will nicht ewig in der Stadt leben, sondern irgendwann im Grünen leben, ohne dabei auf die Vorzüge des städtischen Lebens vollends verzichten zu müssen. Mein ultimativer Traum ist es, ein altes Bauernhaus zu sanieren und liebevoll selbst einzurichten, weil: träumen wird man ja wohl noch dürfen.
„Das Leben scheint manchmal ein ständiges Abwägen, eine unendliche Pro-und Contra-Liste …“
Ich will einen Beruf, der mich erfüllt und der sich trotzdem nicht wie einer anfühlt. Am liebsten möchte ich auch noch einmal ins Ausland – aber so lange so weit weg von Familie und Freunden sein? Ist auch nicht ganz so cool. Das Leben scheint manchmal ein ständiges Abwägen, eine unendliche Pro- und Contra-Liste, ein heute hü, morgen hott. Doch das muss es nicht sein, zumindest nicht immer. Oft hilft es schon, etwas mehr im Hier und Jetzt zu leben und etwas weniger an morgen zu denken. Im Nachhinein stellen sich Entscheidungen, über die man sich wochenlang den Kopf zerbrochen hat und die man in den ersten Augenblicken vielleicht schon wieder bereut, nämlich oft als richtig heraus – denn oft passieren danach irgendwann Dinge, die man gar nicht erwartet hat und über die man am Ende doch glücklich ist. Vermutlich wäre das auch im anderen Fall so gewesen, das ist allerdings sowieso sowas von egal, denn was zählt, ist letztendlich das, was man tut, nicht das, was man nicht tut. Denn: „Das Leben ist, was passiert, während du andere Pläne machst“, wie John Lennon es einst so treffend formulierte.
Umwege sind spannend und Scheitern ist nicht das Ende der Welt
Auch, wenn wir uns dessen theoretisch bewusst sind – fiese Fragen lassen sich leider nicht auf Knopfdruck abschalten und schleichen sich manchmal mir nichts, dir nichts in unsere Gedanken und Träume. Woher soll ich wissen, welches mein Lebensweg ist, wo ich zwar schon jahrelang dem Elternhaus entwachsen, aber mich deshalb noch lange nicht erwachsen fühle? Wer sagt mir, was ich gut kann, wenn ich das selber noch nicht weiß? Und warum fällt es manchmal so verdammt schwer, eine Entscheidung zu fällen? Auch unbedeutende Entscheidungen zögere ich oft liebend gerne heraus, bin unsicher, ob die Alternative mich nicht doch glücklicher machen würde, zweifle angesichts der vielen anderen Optionen, die das Leben für mich bereithält. Zugleich verfluche ich Menschen, die exakt so denken und sich immer alle Optionen offen halten (Stichwort Silvester) zutiefst. Der Segen, der für viele junge Menschen und vor allem die herzallerliebsten Geisteswissenschaftler heute viel mehr Fluch ist, ist nicht immer leicht anzunehmen. Wir verlieren uns in Zukunftsängsten und Unsicherheiten, oft nicht völlig unbegründet, aber doch zu Unrecht. Vielmehr sollten wir uns öfter zu dem flapsigen, aber nicht umsonst so oft angeführten Spruch ermahnen, das Leben so zu nehmen, wie es kommt.
„Der Weg ist das Ziel.“
Niemand muss heute mehr mit 25 entscheiden, wohin sein restliches Leben nun führt oder was er den Rest seines Lebens arbeiten wird. Uns sind so unendlich viele Türen geöffnet, dass wir getrost auch durch eine zweite oder dritte Tür gehen können, wenn die erste oder die zweite uns wohin führt, wo wir uns nicht wohl fühlen oder wo wir am Ende doch nicht hinwollen. Scheitern gehört dazu, und auch verschlossene Türen müssen nicht auf ewig geschlossen bleiben, sondern öffnen sich uns mit viel starkem Willen, Ausdauer und vielleicht auch einer Portion Glück. Wer nicht sofort weiß, wohin er will, der sollte die Unzahl an Möglichkeiten nutzen, um sich auszuprobieren. Denn auch durch die Ausschlussmethode gelangt man zum Ziel. Hier gilt die Devise „Der Weg ist das Ziel“. Umwege sind spannend, genauso wie man sich nicht vor dem Scheitern fürchten darf. Denn Scheitern gehört zum Leben dazu, und scheitern muss man lernen. Und je früher man das tut, desto besser.
Ein so wunderbarer Text und trifft genau mein Herz.
Danke Dafür.
Danke Carina für den lieben Kommentar!